Gönnt unseren Meeren eine Pause!

Gönnt unseren Meeren eine Pause!

Meister Pelikan fragt bei Dr. phil. nat. Meeresschutzbiologin Silvia Frey, Gründerin der Meeresschutz-Organisation 👉 Kyma-Sea 👈 nach, wie es um das Leben im Meer steht.

Vorwort von Meister Pelikan:

Ich und meine Tierschar setzen uns für eine bessere Welt ein und die Kinder sollen hier eine wichtige Rolle übernehmen. Manchmal kann man mit wenig ganz viel erreichen. Es gibt aber auch Themen, bei denen es noch sehr viel Arbeit braucht. Z.B. beim Fischfang. Die Überfischung unserer Meere ist ein sehr ernstes Problem. Hier treffen wir auf eine sehr grosse Herausforderung.

Wie gross diese ist und wie schlimm es um die Fischbestände im Meer steht erzählt Silvia Frey in einem Interview mit mir. Dabei erzählt sie auch von sehr traurigen Tatsachen. Trotzdem sollten wir uns von diesen nicht abschrecken lassen, sondern ihnen mutig ins Auge blicken und uns überlegen, was wir als Fischesserinnen und -esser zu dieser Situation beitragen können. Denn es gibt Hoffnung, wenn wir dem Meer eine Pause gönnen und in Zukunft rücksichtsvoller mit den Schätzen im Meer umgehen.

Meister Pelikan: «Hallo Silvia, ich freue mich mit dir sprechen zu dürfen. Ich bin ein typischer Fischer. Ich erbeute aber immer nur so viel, wie ich gerade brauche. Die Menschen fischen anders. Mit Netzen und Langleinen fangen sie viele Tonnen an Meerestieren. Gibt es überhaupt so etwas wie nachhaltige Meeresfischerei?»

Silvia Frey: «Nachhaltige Fischerei würde ja bedeuten, dass man einen weitsichtigen und rücksichtsvollen Umgang mit den Fischbeständen betreiben würde. Dies ist im weltweiten Fischfang und- Konsum leider ein Märchen, denn über 90% der Fischbestände sind bis an die Grenzen genutzt, überfischt oder erschöpft.

Jedes Jahr werden weniger Fische gefangen, da es immer weniger von ihnen gibt. Damit geben sich die Menschen aber nicht zufrieden. Sie vergrössern und ändern einfach die Fanggebiete, oder verfeinern die technischen Möglichkeiten für die Tiefsee- und die Hochseefischerei. Noch vor 60 Jahren befischte man nur 60% der weltweiten Ozeane, heute sind es schon 90%. Die Fischerboote müssen also heute viel längere Strecken zurücklegen und fangen trotzdem viel weniger Fische als früher.»

Meister Pelikan: «Was passiert dabei mit den verschiedenen Arten?»

Silvia Frey: «Wie auch an Land stehen im Meer verschiedene Pflanzen und Tiere miteinander in Verbindung in sogenannten Nahrungsnetzen. Die Fischerei hat diese natürlichen Beziehungen der Pflanzen und Tiere untereinander in den letzten Jahrzehnten stark beeinflusst.

In dem man nicht mehr so viele grosse Tiere fangen konnte, hat man sich auf die Jagd nach immer kleineren Arten gemacht. Dabei fängt die Fischerei heutzutage auch die Jungfische und die Beute der grösseren Arten, von denen es sowieso nicht mehr so viele gibt. So können sich dann die grösseren Meerestiere nicht mehr erholen.

Das Gleichgewicht in den Lebensgemeinschaften und Ökosystemen im Meer verändert sich durch die Fischerei auf diese Weise sehr stark.»

Meister Pelikan: «Essen die Menschen denn immer mehr Fisch und Meeresfrüchte?»

Silvia Frey: «So ist es. Der weltweite Fischkonsum stieg seit 1961 jährlich sehr stark an und erhöhte sich von durchschnittlich 9 kg auf 20.3 kg pro Person und Jahr.

Die Meere sind erschöpft – kein Label kann dies ändern, wenn wir nicht bereit sind, unseren Konsum einzuschränken oder – sofern wir nicht auf Meerestiere als Nahrungsquelle angewiesen sind – ganz darauf zu verzichten. So können wir mithelfen, dass sich Meerestiere wieder erholen können.

Ausserdem können sich so jene Menschen, die in Ländern leben, wo Fisch für das Überleben grundlegend ist, auch wirklich davon ernähren.»

Fische-Im-Netz-am-Strand

Meister Pelikan: «Klingt einleuchtend. Trotzdem schreitet die Plünderung der Meere weiter voran.»

Silvia Frey: «Das ist leider richtig. Wenn mehr verbraucht wird, als nachwächst, entsteht eine Übernutzung. Diese wird auch als Überfischung bezeichnet.

Sie liegt vor, wenn über viele Jahre mehr Fische gefangen werden als durch Vermehrung hinzukommen. Gemäss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat sich der weltweite Anteil an überfischten Fischbeständen innerhalb der letzten 40 Jahren verdreifacht.

Das Mittelmeer und das Schwarze Meer sind am meisten überfischt. Betroffen von der Überfischung sind hier sowohl Fische wie Seehecht, Rotbarbe, Seezunge, Sardellen und Sardinen. Aber auch Krebstiere wie Garnelen und Weichtiere wie der Oktopus und andere Tintenfische leiden stark darunter. » 

Meister Pelikan: «Kannst du ein Beispiel für eine gefährdete Fischart nennen?»

Silvia Frey: «Klar, zum Beispiel der Thunfisch: Er ist auf der ganzen Welt ein sehr beliebter Speisefisch. Es gibt acht Thunfischarten weltweit. Die Hälfte der Arten ist wegen der Überfischung sehr gefährdet. Ihr weltweiter Bestand geht sehr stark zurück.

Der Rote Thun (auch Nordatlantischer Thun oder Atlantischer Blauflossen Thunfisch genannt) ist besonders teuer; aus seinem Fleisch wird unter anderem Thunfisch-Sushi gemacht. Die Art gilt als stark gefährdet.

Trotz grosser Anstrengung der Forschung können Thunfische bis heute nicht gezüchtet werden. Um die jüngeren Tiere schneller grösser und schwerer werden zu lassen, wird der Rote Thun gefangen und in speziellen Farmen aufgefüttert. Weil für diese Tiere sehr hohe Preise bezahlt werden und die Nachfrage sehr gross ist, befürchtet man, dass sehr viele Tiere illegal gefangen und gemästet werden.

Ich empfehle deshalb, weder Thunfisch- Sushi noch andere Thunfisch Produkte zu essen, und damit den Schutz von Thunfischen zu unterstützen.»

Werbungsplakat-gegen-Beifang | kelonya.ch

Meister Pelikan: «Wenn es um die Hoch- und Tiefsee-Fischerei geht, wird immer vom Begriff ‹Beifang› gesprochen. Was ist das genau?»

Silvia Frey: «Beifang sind alle versehentlich gefangenen Meerestiere, die nicht der Art entsprechen, die man eigentlich fangen wollte. Ein grosser Teil dieser Tiere wirft man schwer verletzt oder tot wieder über Bord.

Schätzungen zufolge macht der Beifang bis 40% der gesamten Fangmenge weltweit aus. Das sind über 10 Millionen Tonnen Meerestiere, darunter Fische, Meeresschildkröten, Seevögel, Wale, Robben, Delfine, Haie, Rochen und Korallen.

Moderne Fischereimethoden wählen ihre Beute nicht aus. Deshalb kommt es oft zu Beifang. Zu den Methoden mit der höchsten Beifangmenge zählen Schleppnetze, pelagische Langleinen und pelagische Kiemennetze.»

Meister Pelikan: «Von vielen dieser Fangmethoden habe ich noch nie gehört. Wie funktionieren die?»

Silvia Frey: «Mit Bodenschleppnetzen werden vor allem Krebstiere wie Garnelen und Plattfische gefangen. Die Netze werden über den Meeresboden gezogen und verschlingen alles, was in Bodennähe lebt. Die Garnelenfischerei verursacht dabei die höchste Beifangmenge. Die versehentlich gefangenen Meerestiere machen bis zu 80% des Gesamtfangs aus.

Pelagische Langleinen sind mehrere Kilometer lang und mit zahlreichen Köderhaken versehen. Damit versucht man vor allem Thunfische und Schwertfische zu fangen. Auch hier gibt es sehr viel Beifang insbesondere von Seevögeln, Haien und Meeresschildkröten.

Pelagische Kiemennetze werden unter anderem für den Fang von Lachsen, Makrelen und Heringen eingesetzt.»

Meister Pelikan: «Das klingt sehr gefährlich. Was bedeutet das für die Meerestiere?»

Silvia Frey: «Pro Jahr verenden schätzungsweise 1 Million Seevögel, 250’000 Meeresschildkröten, 300’000 Wale und Delfine und mehrere Millionen Haie und Rochen als Beifang in Fischereigeräten. Auch eine grosse Zahl an Jungfischen endet als Beifang und ist für die Vermehrung der Art verloren.

Ich empfehle: Finger weg von Meerestierarten, die mit solch wahllosen Fangmethoden gefangen werden, denn auf dem Teller würde eigentlich nicht nur das Thunfischsteak, sondern auch Meeresschildkröte, Seevogel und der Hai liegen.» 

Meister Pelikan: «Haie leiden also auch unter der Überfischung?»

Silvia Frey: «Nicht nur Haie, auch Rochen sind dadurch sehr unter Druck geraten. Schätzungsweise die Hälfte aller Hai- und Rochenarten ist gefährdet.

Entweder es wird gezielt nach ihnen gefischt, oder sie landen als Beifang in den Schleppnetzen. Hunderttausende Haie und Rochen werden jedes Jahr gefangen, deshalb gibt es immer weniger von ihnen.

Auch die Wasserverschmutzung und der Klimawandel macht den Tieren zu schaffen. Dadurch dass immer mehr Ozeanfläche befischt wird, bleibt für die Haie fast kein Platz mehr, um sich zurückzuziehen. 100 Millionen Haie sterben pro Jahr.

Sie und auch die Rochen sind aber sehr langlebige Tiere. Sie wachsen langsam und vermehren sich erst nach mehreren Jahren. Das macht sie sehr anfällig auf Überfischung.»

Turm aus Fischstäbchen | kelonya.ch

Meister Pelikan: «Weshalb macht man Jagd auf Haie?»

Silvia Frey: «Man jagt sie gezielt wegen ihrer Rückenflossen, den Finnen. Damit stellen sie in einigen Ländern Haifischflossensuppe her. Beim sogenannten ‹Finning› werden den Tieren bei lebendigem Leib die Finnen abgetrennt. Danach werden sie wieder über Bord geworfen, wo sie elendiglich zu Grunde gehen.

In der Haifischflossensuppe gibt es neben den Flossen von Haien auch Flossen von Sägerochen. In der EU ist das Finning verboten, aber es gibt noch viel Orte, wo es dazu keine Regeln gibt.

Gejagt werden die Haie aber auch wegen ihrem Fleisch, dem Öl aus ihrer Leber sowie ihrem Knorpelskelett. Die gefährdeten Manta Rochen werden wegen ihren Kiemenplatten gejagt, welche man in der chinesischen Medizin verwendet.»

Meister Pelikan: «Solchen Produkten muss man also dringend aus dem Weg gehen!»

Silvia Frey: «Unbedingt! Stell dir vor: Seit Urzeiten leben Haie und Rochen in unseren Ozeanen. Wenn wir nicht handeln, werden sie aussterben. Deshalb ist es wichtig auf Haifischflossensuppe oder Haifischsteaks zu verzichten.

Aufpassen muss man aber auch bei Fischangeboten mit irreführendem Namensetikett, Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel oder Tierfutter.»

Werbung gegen den kommerziellen Fischfang kelonya.ch

Meister Pelikan: «Wären denn Fischzuchten eine ökologische Alternative zur Industriefischerei?»

Silvia Frey: «Leider nicht. Heute stammt fast die Hälfte aller Fische auf unserem Teller aus Fischzuchten. Dieser Anteil wird weiter zunehmen. Weil es im Meer immer weniger Fische gibt, die Nachfrage nach Fisch aber weiter steigt.

Vielen Menschen erscheint die Fischzucht (Aquakultur) als eine schonende Alternative für die wilden Fischbestände zu sein. Das Gegenteil ist jedoch oft der Fall.

Viele der gezüchteten und beliebten Speisefische in reicheren Ländern sind nämlich carnivor (fleischfressend). Das bedeutet, dass sie mit Fischöl und Fischmehl von wild gefangen Fischen, wie z.B. Sardellen und Sardinen gefüttert werden. In Intensivzuchten bedeutet dies, dass je nach gezüchteter Art pro Kilogramm Zuchtfisch ein Mehrfaches an Wildfisch in Form von Fischmehl verfüttert wird.

Die Überfischung wird dadurch nicht gebremst, sondern verstärkt. Sogar Fische wie Karpfen und Tilapia, die sich fast nur vegetarisch ernähren, werden in Zuchten mit Fischmehl gefüttert, damit sie schneller an Gewicht zulegen. Viele Fischzuchten betreiben Intensivmast zur maximalen Fleischgewinnung.»

Meister Pelikan: «Ein Teufelskreis…»

Silvia Frey: «Du sagst es. Es gibt aber auch noch andere Probleme: Ähnlich wie bei der intensiven Tierhaltung an Land sind in Intensivzuchten Infektionskrankheiten von Fischen und Krebstieren ein grosses Problem.

Krankheitserreger verbreiten sich im Wasser schnell und es besteht Gefahr der Krankheitsübertragung an Wildfische im umliegenden Gewässer. Werden Fische gezüchtet, die nicht im Gebiet vorkommen oder genetisch verändert wurden und sie aus der Zucht ins Meer entkommen, besteht zudem die Gefahr der Veränderung der natürlichen genetischen Vielfalt der Wildpopulationen.»

Meister Pelikan: «Viele Menschen mögen Lachs. Vor allem an speziellen Anlässen. Was gibt es über ihn zu berichten?»

Silvia Frey: «Der Atlantische Lachs ist der am meisten gezüchtete Lachsfisch der Welt. Atlantische Lachse entkommen relativ häufig den Zuchtgehegen.

Die Zuchtlachse paaren sich dann mit ihren wilden Artgenossen. Ihre veränderte Genzusammensetzung führt zu einem Rückgang der ansässigen wilden Tiere. Ausserdem nehmen die Zuchtlachse den heimischen Tierarten Lebensraum und Futter weg.

Man hat herausgefunden, dass der Atlantische Zuchtlachs sehr stark mit Schadstoffen und Giften belastet ist. Es wurden sogar giftige Flammschutzmittel in seinem Fleisch nachgewiesen. Diese Schadstoffe stammen aus dem Futter, das aus Fischmehl besteht. Dieses stellt man aus Fischen her, die auch mit Giftstoffen belastet sind.

Ausserdem wird dem Futter auch noch ein Stoff namens Ethoxyquin beigemischt, um es haltbarer zu machen. Dieser Stoff verwendete man früher als Pestizid; heute ist er aber verboten. Als Futterzusatz ist er dennoch erlaubt. Es gibt Hinweise darauf, dass Ethoxyquin krebserregend ist.» 

Meister Pelikan: «Es scheint, als würde man in der Meeresfischerei und in den Aquakulturen nicht so stark auf das Tierwohl achten!? »

Silvia Frey: «Im Vergleich zur Haltung und Nutzung von Landtieren wird in der Meeresfischerei und in den marinen Intensivzuchten dem Tierschutz und Tierwohl kein hoher Stellenwert eingeräumt.

In der Öffentlichkeit wird bisher kaum Notiz davon genommen, wie Fische, Weich- und Krebstiere verenden oder wie sie in Zuchten ihr trauriges Dasein fristen. Dabei ist mittlerweile bei vielen dieser Meeresbewohner unbestritten, dass sie über komplexe Nervensysteme verfügen und empfindsame Wesen sind.» 

Fischkutter mit Netz im Schlepptau | kelonya.ch

Meister Pelikan: «Hier müssen die Menschen unbedingt anfangen umzudenken!»

Silvia Frey: «Vielerorts wird darauf geachtet, dass Tiere getötet werden ohne ihnen Leiden zu zu fügen (entweder durch vorheriges bewusstlos machen oder unmittelbares Töten).

Bei Meerestieren gilt dieser Grundsatz nur ganz selten. Ein Grossteil der schätzungsweise 1-3 Billionen gefangener Meeresfische verendet qualvoll. Sie werden entweder in den Netzen erdrückt, ersticken an Deck der Fangschiffe oder werden bei vollem Bewusstsein verarbeitet.

Auch bei den Krebstieren sind die Tötungsmethoden keineswegs human: Obwohl sie nachweislich schmerzempfindlich sind, werden Garnelen und Hummer unbetäubt vergast, eingefroren oder ins kochende Wasser geworfen und sind einem Todeskampf ausgesetzt.

In der Schweiz dürfen Krebstiere zum Glück seit dem 1.3. 2018 nur noch betäubt gekocht werden.» 

Meister Pelikan: «Schrecklich! In Intensivzuchten leben sehr viele Tiere auf einem kleinen Raum. Kommt es dort zu Problemen?»

Silvia Frey: «Absolut! Sie können ihre natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben. Die Folgen davon sind gesundheitliche Probleme, Deformationen und Verhaltensstörungen.

Die Fische sind chronischem Stress ausgesetzt, erleben Verletzungen, sind teilweise aggressiv oder ihr Immunsystem ist geschwächt.» 

Meister Pelikan: «Ist auch Kreon, der schlaue Krake aus dem Hörspiel ‹D’ Reis vo dr Kelonya› durch die Überfischung gefährdet?»

Silvia Frey: «Ja, leider trifft es auch ihn. Tintenfische gehören wie Muscheln zu den Weichtieren. Sie sind aber sehr spezielle Wesen. Wie du sagst, sind sie sehr schlau und zeigen viele verschiedene Verhaltensweisen.

Wir kennen etwa 800 verschiedene, heute lebende Arten weltweit. Durch die Überfischung gibt es aber immer weniger von ihnen. Man versucht deshalb Tintenfische zu züchten. Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lehnen dies aber absolut ab.

Tintenfische sind Fleischfresser. Damit sie satt werden, brauchen sie das Dreifache ihres Körpergewichtes an Nahrung. Diese Nahrung besteht natürlich auch wieder aus dem Mehl von wild gefangenen Fischen. Die Tintenfischzucht verstärkt also noch die Überfischung der Meere.

Ausserdem sind Tintenfische sehr hoch entwickelte, empfindsame Wesen. Damit sie sich wohlfühlen, brauchen sie eine an ihre Bedürfnisse angepasste Umgebung. In einer Intensivzucht ist diese Voraussetzung aber absolut nicht gegeben und die Tintenfische werden krank, aggressiv oder sterben sogar. Aus all diesen Gründen ist es empfehlenswert, Tintenfische nicht zu essen, sondern zu ihrem Schutz beizutragen!» 

Meister Pelikan: «Wie gesund sind Meerfisch & Co. tatsächlich?»

Silvia Frey: «Noch immer wird der regelmässige Konsum von Fischen angepriesen. Fische enthalten tatsächlich viele Proteine und essenzielle Omega-3-Fettsäuren, die für unsere Gesundheit wichtig sind. Dafür gibt es jedoch Alternativen.

Meerfische und Krebstiere können nämlich ziemliche Mengen an Schadstoffen enthalten. Unsere Meere sind mit zahlreichen Schadstoffen und Giften belastet. Diese Schadstoffe reichern sich insbesondere in Meerestieren an, die am Ende der Nahrungskette stehen und fettreich sind.

Dazu gehören beliebte, grosse Speisefische wie Thunfisch, Schwertfisch und Lachs, welche die Schadstoffe über die Nahrung aufnehmen. Auch Sardinen reichern Schadstoffe an und werden vor allem als Futterfische für gezüchtete Arten in Aquakulturen verwendet. Die Schadstoffe können so auf die Zuchttiere übergehen.

Trotzdem wollen noch immer viele Menschen Fisch und Meeresfrüchte konsumieren. Der Grossteil der heute verkauften und gegessenen Garnelen, stammt aus Zuchten. Dort werden nebst Pestiziden grosse Mengen an Antibiotika eingesetzt, um einem Krankheitsausbruch bei den dicht an dicht gehaltenen Krebstieren in den Zuchtbecken vorzubeugen. Die Stoffe gelangen in die Umwelt und in die Garnelen.

Als gesund können auf diese Weise gezüchtete Garnelen nicht gelten.» 

Robbe auf verlassenem Fischernetz | kelonya.ch

Meister Pelikan: «Was ist mit dem Mikroplastik, mit dem ja auch Kelonya, die Meeresschildkröte aus dem Hörspiel 👉 D Reis vo dr Kelonya👈 in Berührung kommt?»

Silvia Frey: «In den letzten Jahren häufen sich Studien, die zeigen, dass Meerestiere mit Mikroplastik belastet sind. Wieviel wir davon beim Fischkonsum zu uns nehmen, ist noch unklar.

Anders sieht das bei Muscheln aus. Bei einer durchschnittlichen Portion Miesmuscheln nehmen wir 90 Plastikpartikel und bei Austern 50 Plastikpartikel auf.

Was dies für die menschliche Gesundheit bedeutet, ist bislang nicht ausreichend geklärt.» 

Meister Pelikan: «Zum Schluss noch ein paar abschliessende Worte darüber, was die Meeresspeise auf unserem Teller mit der Zerstörung von Lebensräumen im Meer und der Plastikverschmutzung zu tun hat?»

Silvia Frey: «Die Meeresfischerei und Zucht verändert und zerstört Lebensräume und Ökosysteme in den Ozeanen in massiver Weise.

Schleppfischerei

Bodenschleppnetze, die zum Fang von bodennah lebenden Fischen und Krebstieren eingesetzt werden, pflügen und planieren den Meeresboden jährlich auf einer weltweiten Fläche die schätzungsweise 150 Mal grösser ist als die gerodete Waldfläche an Land.

Dabei werden ganze Lebensgemeinschaften und -strukturen zerstört, auch Korallenriffe, welche sehr wichtige Ökosysteme mit höchster Artenvielfalt im Meer sind.

Die Schleppnetzfischerei macht auch vor Schutzgebieten nicht Halt – im Gegenteil. Einer Studie zufolge werden 59% dieser geschützten Gebiete in Europa nicht nur regelmässig, sondern auch intensiver befischt als nicht geschützte Gebiete.

Je tiefer die Grundschleppnetze fischen, desto mehr Beifang tritt auf, deshalb empfehlen WissenschaftlerInnen ein Tiefenlimit von 600m. Die Grundschleppfischerei ist für fast 50% der weltweiten Beifänge verantwortlich.

Aquakulturen

Auch Aquakulturen im Meer können starke negative Umwelteinflüsse haben. Das Futter und die Ausscheidungen der Zuchtfische sowie von zugesetzten Chemikalien überdüngen das umliegende Wasser und Schadstoffe gelangen deshalb ins Meer. Die Wasserqualität leidet dadurch erheblich, was wiederum den gezüchteten Tieren aber auch den umliegenden Lebensräumen und Lebensgemeinschaften schadet.

Vor allem die Zucht von Krebstieren, insbesondere Garnelen, hat in gewissen Regionen, wie z.B. Asien Hochkonjunktur. Riesige Mangrovengebiete wurden für Garnelenzuchten in Bangladesh, Thailand, Indonesien und den Philippinen gerodet. Damit gingen wichtige ‹Kinderstuben› für Fische und andere Meereslebewesen verloren, von denen auch die lokale Bevölkerung abhängig war. Gleichzeitig verloren die Küsten dadurch den Schutz vor Erosion.  

Netzte und Leinen

Geschätzte 640’000 Tonnen Fischernetze, Fischerleinen und Fischfallen gelangen jedes Jahr versehentlich oder absichtlich entsorgt ins Meer.

Die Fischereigeräte sind vornehmlich aus Kunststoff gefertigt, robust und stellen deshalb für Jahrzehnte eine Bedrohung für Meereslebewesen dar, die sich darin verfangen. So ergeht es auch der Meeresschildkröte Kelonya im Hörspiel 👉D Reis vo dr Kelonya👈. Schätzungsweise über 136’000 Robben und Wale und Zehntausende andere Meerestiere wie Meeresschildkröten sind alljährlich davon betroffen.

Die im Meer entsorgten oder verloren gegangenen Fischereigeräte machen schätzungsweise 10% des Plastiks im Meer aus!» 

Meister Pelikan: «Das alles macht das Leben für die Meerestiere sehr schwierig … gibt es für die Zukunft Hoffnung auf Besserung?»

Silvia Frey: «Ja, die gibt es auf jeden Fall. Erst kürzlich präsentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konkrete Massnahmen, durch welche die Ozeane sich innerhalb der nächsten 20-30 Jahre erholen könnten und damit unsere Mitlebewesen im Meer geschützt werden könnten.

Dies braucht jedoch Anstrengungen von allen Regierungen weltweit. Beispielsweise muss die weltweite Fischerei besser geregelt und überwacht werden und es braucht mehr funktionierende Meeresschutzgebiete. Letztlich unterstützt auch die Veränderung des Verhaltens jeder einzelnen Person den Schutz des Lebens in den Ozeanen. Das heisst z.B.: Sorgsamer Umgang mit Abfall, achtsamer Konsum und die Stimme jenen Personen und Organisationen leihen, die sich für den Schutz der Ozeane einsetzen.

Ich bin absolut hoffnungsvoll, dass uns dies alles gelingen wird, doch es liegt noch viel Arbeit vor uns.» 

Streifendelfin springt aus dem Wasser | kelonya.ch

🐢🐬🐋🐙 Ich hoffe, bei diesem Gespräch konntest du viel lernen – auch wenn hier viel trauriges erzählt wurde.

Dein Nachdenken ist aber sehr wichtig! Und deshalb wünsche ich dir nun viele positive Gedanken, wie du zum Erhalt der Meerestiere beitragen kannst! 🐝🦁🐧🐒

❤️-lichst

Unterschrift-Pelikan | kelonya.ch

Sylvia Frey von Kyma-sea.org | kelonya.ch

Autorin: Dr. phil. nat. / Meeresschutzbiologin Silvia Frey, Geschäftsleitung & Verantwortliche für Forschungsprojekte bei der gemeinnützigen Meeresschutzorganisation KYMA sea conservation & research (www.kyma-sea.org)

«Seit 23 Jahren arbeite ich im Bereich Meeresschutz. Im Rahmen von Forschungsprojekten bin ich regelmässig auf dem Meer unterwegs. Ich bin immer wieder fasziniert von der Schönheit und der Vielfalt an Leben in den Ozeanen. Mit grosser Sorge sehe ich jedoch auch die zunehmende Gefährdung der Meereslebewesen durch menschliche Aktivitäten wie beispielsweise die Verschmutzung durch Plastik und die Überfischung. Die Meere sind in einem desolaten Zustand und jeder Einsatz, ob gross oder klein ist nötig und kostbar, um dies zu ändern.
Dies ist auch der Grund, weshalb ich KYMA sea conservation & research ins Leben gerufen habe und ich bin sehr dankbar für die grossartigen Menschen, die sich bei KYMA im Vorstand und Team engagieren.
Ich setze mich mit meinem Wissen und meiner beruflichen Erfahrung dafür ein, dass KYMA Menschen bewegt, berührt und fasziniert, sie jedoch auch zum Nachdenken und Handeln bewegt, damit das Leben in den Ozeanen eine Zukunft hat.»

👉 kyma-sea.org 👈

Bearbeitung: Cathryn Lehmann
Schriftsatz, Grafik: Thom Wettstein


Header Foto: © Nils95, Pixabay Fischernetz Foto: © Ssezer66, AdobeStock Fischkutter Foto: © Bruno Barracuda, AdobeStock Robbe Foto: © LegoLeo1986, Shutterstock  Restliche Fotos: © Silvia Frey & Kyma-Sea.org